• Manuela Sonntag

    :christmas_tree: 1. Dezember – Weihnachtsparty:christmas_tree:
    Prompt: Dein Charakter beschließt im letzten Moment, doch noch auf die Weihnachtsfeier zu gehen, die er von vornherein abgesagt hat.

    Mein Handy pingt. Vor Schreck verrutscht die Mascarabürste, hinterlässt einen schwarzen Schmierfleck auf meiner Wange. Und weil ich hektisch nach Handy und Abschminktuch gleichzeitig greife, landet beides im Waschbecken.
    “Ganz toll, Frau Donhoff …”
    Die Frau im Spiegel zieht eine Grimasse, der schwarze Tuschestreifen sieht aus wie ein verhinderter Schmetterling. Ich zwinge mich, tief durchzuatmen und greife nach dem Abschminktuch. Erst dann hebe ich mein Handy auf.
    Hey Sassie, klar kannst du noch vorbeikommen. Sara ist in Grippe-Quarantäne, denk dran, was fürs Schrottwichteln mitzubringen. CU B
    Ich lege das Handy wieder zur Seite und stelle mich dem kritischen Blick meines Spiegelbilds. Mein Herz schlägt viel schneller als es sollte.
    ‘Bist du jetzt enttäuscht, dass sie nicht Nein gesagt hat, oder freust du dich, dass sie Ja gesagt hat?’
    Die Frage bleibt ungestellt, aber ich hätte ohnehin keine Antwort. Weder noch? Beides? Natürlich konnte niemand damit rechnen, dass ich ausgerechnet diese Weihnachtsfeier besuchen will, wenn ich bisher jede andere abgesagt hatte. Nur war das, bevor mein neuer Kollege Tom angefangen hat, mit mir zu flirten. Oder zumindest bilde ich mir ein, dass wir flirten … Aber sein ‘Dann treffe ich dich auf der Party unterm Mistelzweig!’ zusammen mit diesem Lächeln, das meine Knie weich werden lässt, konnte doch nicht eindeutiger sein, oder? Oder war es doch nur ein Scherz, den ich schrecklich missverstehe? Und wenn nicht? Ein winziger Teil von mir hatte die Hoffnung, dass es mir erspart bleiben würde, es herausfinden zu müssen, wenn ich nur lange genug wartete …
    ‘Sorry, aber so kurzfristig können wir jetzt nicht mehr für dich umplanen.’
    Aber natürlich ist das nicht die Art von Koordinationswunder und Personalleiterin Bettina Starke, vermutlich telefoniert sie schon den ganzen Tag mit dem Caterer, der Dekoabteilung und findet zwischendurch noch die Zeit, ein perfektes Weihnachtsengel-Outfit zusammenzustellen …
    Ich wechsele noch einen resignierten Blick mit dem Spiegel. Haare könnten schlimmer aussehen, silberner Lidschatten, Mascara, ein bisschen Rouge … Ich fürchte, es muss reichen. Ich greife nach Jacke, Tasche und Schal und verlasse fluchtartig das Haus, bevor ich es mir anders überlegen kann.
    “Scheiße, das Wichteln …”
    Ich stoße die Haustür wieder auf. Auf der Flurkommode liegt noch die kitschige Weihnachtsmütze, die ich beim letzten Mädelsabend auf dem Weihnachtsmarkt zu betrunken war abzulehnen. Ich fürchte, es muss reichen.
    Der Weg durch die weihnachtsbeleuchtete Innenstadt gestaltet sich schwierig, es sind trotz der späten Stunde noch erschreckend viele Menschen unterwegs, ihre Last-Minute-Einkäufe an die Brust gedrückt, als wolle man sie ihnen wieder entreißen. Ich beneide die Kollegen nicht, die heute die letzte Schicht arbeiten mussten, Weihnachten im Einzelhandel bringt entweder das Beste oder das wilde Tier in uns hervor … Endlich kommen die geschmückten Schaufenster des Kaufhauses in Sichtweite, gleichzeitig vibriert mein Handy in meiner Jackentasche.
    Hey Sas, wo bist du? Der gebeizte Lachs ist schon alle, aber immerhin hast du die Ansprache vom Chef verpasst ;-)
    Ich tippe zurück ‘Vor der Tür!’ und angle nach meinem Schlüssel zum Seiteneingang. Schon im Flur perlen mir ‘Stille Nacht’ und der Duft von Braten entgegen. Vor dem Pausenraum begegne ich den ersten Kollegen, die sich auf den Heimweg zu ihren Familien machen, nicke, lächele, tausche leere Phasen aus.
    Jenseits der großen Flügeltüren erwarten mich blendende Helligkeit und der riesige Weihnachtsbaum, der in der Mitte des Erdgeschosses aufragt, zwischen Spielwaren, Kosmetik und Süßwaren. Rundherum haben die Caterer Tische aufgebaut, und über die Lautsprecher dudelt dieselbe Weihnachtslieder-Playlist, die inzwischen niemand von uns mehr hören kann.
    “Da bist du ja! Hast du ans Wichteln gedacht?”
    Eine Vision in Rot-Gold entpuppt sich als Bettina in einem Cocktailkleid und einem Haarreifen aus Goldflitter. Ich ziehe mit einem reuigen Grinsen den Weihnachtshut aus meiner Tasche. Sie schürzt skeptisch die Lippen. Ihr Lipgloss passt perfekt zum Rotton ihres Kleides.
    “Na ja, vielleicht bleibt dir noch Zeit, irgendwo einen Rest Geschenkpapier zusammenzukratzen. Du musst sowieso mit Tom tauschen, da ihr beide zu spät seid."
    Mein Herzschlag hüpft sofort in meine Kehle.
    “Ah …”
    Bettina bedenkt mich mit einem unschuldigen Augenaufschlag, der ihren makellosen Lidstrich betont.
    “Ja, komisch, als ich ihm sagte, dass du nie zu unseren Weihnachtsfeiern kommst, hatte er plötzlich auch was anderes vor.”
    Mein Mund fühlt sich sehr trocken an, ich könnte töten für eines der Champagnergläser, die auf silbernen Tabletts an uns vorbeigetragen werden.
    “Das hattest du gar nicht erzählt.”
    Mein Versuch der Nonchalance scheitert kläglich. Bettina schüttelt nur ihre blonden Locken zurück.
    “Ach, ich hatte im Gefühl, dass er es sich anders überlegt, wenn ich ihm schreibe, dass du doch kommst. Und ich habe einfach gerne Recht.”
    Ich setze an, etwas zu erwidern, auch wenn ich noch nicht sicher bin, ob ich mich bei ihr bedanken oder ihr die Meinung sagen sollte, weil ich ziemlich sicher bin, dass sie sich heimlich über mich lustig macht … Aber bevor ich irgendetwas herausbringen kann, dreht sie sich um und winkt in Richtung der Cateringtische.
    “Die Brenndosen unter dem Rehgulasch sind leer, könnte man die austauschen, bitte? Und tragt ruhig schon das Dessert auf … Ah, hallo Tom!”
    Ein paar Helfer in weißen Schürzen verschwinden im Vorratslager, und hinter ihnen taucht tatsächlich Tom auf. Der letzte Impuls, irgendeinen Ton von mir zu geben, versickert. Kein Mann hat das Recht, so gut auszusehen, während er eine lila Lamettagirlande um den Hals trägt. Bettina gibt mir einen unmissverständlichen Schubs.
    “Ich habe deine Wichtelpartnerin gefunden. Und du offensichtlich dein Wichtelgeschenk?”
    “Hi Bettina, hi Saskia.” Tom macht einen letzten Schritt auf uns zu und räuspert sich verlegen. “Ja, Erik meinte, es gibt hier schon genug Lametta.” Wirkt er ungewöhnlich nervös? Sein schiefes Lächeln trifft mich trotzdem bis in die Magengrube. “Und du hast den Mistelzweig gleich mitgebracht?”
    Ich blinzele verwirrt, folge dann seinem Blick zu der Mütze in meiner Hand. Zwischen dem billigen Kunstplüsch steckt eine kleine Applikation aus Filz. Schief geschnittene Walnüsse und ein grüner Mistelzweig. Meine Wangen werden heiß und mir gleichzeitig eiskalt. Da hätte ich auch gleich ein T-Shirt mit der Aufschrift ‘Verzweifelt, weiblich, sucht …’ tragen können …
    “Ich … ähm, also das war das einzige, das … war so nicht geplant …”, stammele ich schwach, aber er zuckt nur die Schultern.
    “Dann müssen wir nicht suchen.”
    “Ihr Lieben, ich muss mich um andere Musik kümmern, das hält ja niemand aus.”
    Bettina schiebt sich mit einem zufriedenen Seitenblick an uns vorbei und verschwindet in der Weihnachtsdekoration. Ich hebe mit meinem letzten Funken Mut den Blick und atme entschlossen gegen die Hitze in meinen Wangen an.
    “Warum suchen wir nicht erst mal was zu essen?”

    Verfasst in Adventskalender 2023 weiterlesen
  • Manuela Sonntag

    Herzlichen Glückwunsch liebes Forum und danke an das @Team und alle anderen, die sich immer mit soviel Begeisterung und Herzblut darum kümmern, dass das einsame Werkeln im stillen Kämmerlein nicht mehr so still und einsam ist! :smile:

    Ich bin auch eher in der Fraktion Schwarzwälder-Kirsch oder Erdbeer-Sahne, von daher stelle ich mal ein wenig davon an die andere Ecke zum Zitronenkuchen, so als Kontrastprogramm. :yum:

    Und ansonsten freue ich mich einfach auf viele tolle Aktionen und die Motivationsschübe, die die Schreibnacht immer wieder austeilt! :muscle: Auf die nächsten 9 Jahre (dann darf das Forum sogar schon mit Snaps anstoßen :joy: )

    Verfasst in Geburtstagswoche 2022 weiterlesen
  • Manuela Sonntag

    Ich bin auch bei den Ingenieuren als Verwaltungs- und Team-Assistenz - studiert habe ich Englische Literatur und Geschichte, aber heute nutze ich im Job davon eigentlich nur noch die Sprachkenntnisse (95% meiner Kollegen sind keine deutschen Muttersprachler, unsere Umgangssprache ist Englisch und die ganze Verwaltung läuft in Französisch über die Muttergesellschaft in Paris ;-)).

    Ich mach mal mit beim Club “wollte nie hauptberuflich schreiben”, aber immerhin arbeite ich inzwischen nur noch eine 4-Tage-Woche - das hat sich für mich als perfekte Balance zwischen Lohnarbeit und Freizeit herauskristallisiert irgendwann.

    Verfasst in Plauderecke weiterlesen
  • Manuela Sonntag

    Es ist meinen armen Nebenfiguren gegenüber, die soviele wichtige Dinge für die Geschichte leisten und soviel erdulden müssen, vermutlich sehr unfair, aber am liebsten schreibe ich immer noch den kleinen Chamäleon-Drachen…er ist einfach zu niedlich und ich fürchte er wird irgendwann sogar die Hauptfiguren an die Wand spielen… :joy:

    Verfasst in Schreibnacht Montagsfrage weiterlesen

Es scheint als hättest du die Verbindung zu Schreibnacht verloren, bitte warte während wir versuchen sie wieder aufzubauen.